Freiheit den Flüssen

Als meine Kollegen und ich am 29. August 2002 in Berlin-Weissensee auf der Freilichtbühne standen um ein großes Benefizkonzert für die Flutopfer des Sommers zu spielen, war ich der Meinung, daß spätestens ab jetzt ein Umdenken bei den Politikern einsetzen wird. Das Oderhochwasser von 1997 saß ebenfalls noch tief im kollektiven Gedächtnis. 
Man versprach dann auch sehr schnell nachhaltige Konzepte zum Hochwasserschutz umzusetzen, ökologisch sollten sie sein, den Flüssen ihren Raum zurückgeben. Seit dem 19. Jahrhundert grenzt man Flüsse ein, begradigt und betoniert, natürlich Profit- und Wachstumsorientiert. Dies galt es nun zu revidieren.

Klimawandel oder nicht, wir verzeichnen in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg an Niederschlagsmengen und das erhöht das Hochwasserrisiko.

Doch die natürlichen Überflutungsflächen werden nach wie vor mit Wohngebieten, Landwirtschaft oder Industrieanlagen bebaut. Die Maßnahmen die nach dem Hochwasser von 2002 realisiert werden sollten, sind zum heutigen Tag nur zu Bruchteilen abgeschlossen. Da wo sie fertigstellt wurden, schützen sie, aber dafür steigt für die nächste Region der Pegel noch höher. Die Deiche für viele Millionen Euro zu erhöhen, macht die Flüsse im Katastrophenfall nur noch schneller und unkontrollierbarer.

Der Zustand einer Gesellschaft läßt sich in Zeiten von Krisen und Katastrophen wohl am besten messen. Es ist beeindruckend welche Solidarität und gemeinsame Kraft auch im Hochwasserjahr 2013 die Menschen zusammenbringt und in vielen Gebieten hilft noch schlimmeres zu verhindern. Wenn man von Katastrophentouristen und Sensationsjournalisten einmal absieht, setzt das starke, positive Zeichen. 

Doch was ist mit den Opfern, denen teilweise zum zweiten Mal in kürzester Zeit die Existenz weggespült wurde? Da kommt die Politik schon mal vorbei, um für den Wahlkampf 2013 oder auch nur für die eigene Amtslegitimation mit den Opfern vor gierigen Kameras zu posen. Es gibt viel, sehr viel Dank mit sehr betroffener Miene, aber davon wird die Wand nicht trocken.

Kein Wort der Entschuldigung für eine verfehlte Umweltpolitik, kein Eingeständnis der Versäumnisse seit 2002, keine tragfähigen und vor allem glaubwürdigen Konzepte zum Hochwasserschutz.